Beide Kampfkünste generieren dazu Ihre Kraft aus der Hüftregion, genauer gesamt dem Unterbauch. Im westlichen Sprachgebrauch wird für diesen Bereich oft der Begriff der "Core-Muskulatur" verwendet, also jene Muskelgruppen in der Körpermitte, die für Stabilität und Beweglichkeit des Rumpfes verantwortlich sind.
Diese Muskeln umfassen hauptsächlich den Transversus Abdominis (tiefe Bauchmuskulatur), die schrägen Bauchmuskeln (innere und äußere), den Rectus Abdominis (gerade Bauchmuskeln), den Multifidus (tiefe Rückenmuskulatur), den Beckenboden, und die Zwerchfellmuskulatur.
Für die Techniken des Karate und Taekwondo ist dieser Bereich von entscheidender Bedeutung, da hierüber die Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterkörper stattfindet.
Diese Region wird im Karate Hara (腹)genannt, im Taekwondo Ha Bog Bu (하복부).
Beide Kampfkünste beschreiben mit diesen Begriffen aber nicht nur die Anatomie, sondern stellen auf die Bedeutung dieser Region als Zentrum der körperlichen und geistigen Kraft (Engerie, "Ki", "Chi") und Kontrolle ab.
Technisch gesehen bewegt sich im Karate sowie im Taekwondo erst die Hüfte, dann die Glieder. Der Oberkörper ist dabei grundsätzlich immer aufgerichtet.
Karate und Taekwon-Do nutzen "Kime" bzw. Fokus am Endpunkt aller Schläge. Diese END-Spannung sorgt für die nötige Kraft und Stabilität beim Auftreffen auf ein Ziel. Demgegenüber ist der erste, längere Teil einer jeden Bewegung entspannt auszuführen, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit auf dem Weg zum Ziel zu erreichen. Beide Aspekte zusammen, also die Endspannung und die Entspannung sorgen für das physikalische Ergebnis.
Das "harte" Ende einer jeden Bewegung gibt den Techniken im Taekwondo und auch im Karate ihren festen Rahmen. Jede Technik löst gleichsam einen Energiestoß aus, der bei einem Könner sogar über das Geräusch des Anzugs hörbar wird.
Ziel jeder Angriffstechnik ist es, "Bewegungsenergie in Deformationsenergie umzuwandeln", einfacher, so draufzuschlagen, daß es bricht oder auseinanderfliegt. Karatepionier Albrecht Pflüger: "Diese Umwandlung geschieht umso vollständiger, je mehr es uns gelingt, ohne Zögerung urplötzlich abzustoppen." Das Innehalten im Schlag oder Tritt, das millimetergenaue Arretieren, erfüllt danach einen doppelten Zweck: einerseits den Partner beim Üben nicht zu treffen, andererseits die Energie zu verstärken, die so "viel größer ist als etwa bei einem schiebenden Stoß" (Pflüger). Um zu verhindern, daß Schläge und Stöße wirkungslos verpuffen, ist die richtige Atemtechnik von besonderer Bedeutung: eingeatmet wird grundsätzlich beim Ausholen, um dann beim Ausführen der Technik die Luft stoßartig auszuatmen, oft begleitet von einem Kampfschrei ("Ki-Ai" im Karate oder "Ki-Hap" im Taekwondo genannt).
WIe es zu den vielen gemeinsamen Techniken und Prinzipien gekommen ist, erschließt sich, wenn man die Herkunftsgeschichte von Karate und Taekwondo kennt:
Der Vorläufer der heutigen Kampfkunst Karate wurde auf der Japan vorgelagerten Insel Okinawa unter dem Namen Tôde entwickelt. Tôde lässt sich mit "China-Hand" übersetzen.
Dieser Name weist auf die chinesischen Wurzeln dieser Kampfart hin. Okinawa lag auf einer wichtigen Handelsroute in Südostasien, so dass dort viele reiche chinesische Händler mit ihren Leibwächtern Station machten. Manch einer ließ sich schließlich auf dieser Insel nieder und lehrte seine Kampfmethoden der hiesigen Bevölkerung:
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das japanische Militär im Zuge von Musterungen auf die besonders wehrfähigen jungen Männer Okinawas aufmerksam. Schnell war das Training im Tôde als Ursache ausgemacht und man beschloß, diese Kampfkunst nach Japan zu importieren.
Durch eine Umdeutung der Schreibweise gelang es Gichin Funakoshi, das Schriftzeichen "Tô" (das für China steht) in die Silbe „Kara“ zu verändern, die „leer“ bedeutet. In der Übersetzung mit dieser neuen Schreibweise bedeutete Karate so viel wie „leere Hand“. Das war gleichermaßen Voraussetzung für die Billigung dieser Kampfkunst durch das japanischen Kaiserreich, konnte doch so die Verbindung zum damals verfeindeten China verschleiert werden.
Ab 1909 hielt Japan schließlich Korea besetzt. Allen Koreanern wurde das Ausüben volkstümlicher Traditionen und das Üben koreanischer Künsten verboten. Viele Koreaner wurden jedoch dazu gezwungen, in das japanische Militär einzutreten oder sie reisten aus anderen Gründen nach Japan. Einige von ihnen erlernten dort Karate und brachten es zur Meisterschaft.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Befreiung Koreas aus der japanischen Besatzung im Jahre 1945, gaben die aus Japan zurückgekehrten Karatemeister das Erlernte in Korea weiter. Dies geschah nun jedoch unter dem Namen Tang Soo Do, der koreanischen Übersetzung für "Weg der China Hand". Man kmüpfte damit an die alte Bezeichnung "Tôde" aus Okinwawa an und umging so wenigstens begrifflich den Bezugs zu Japan. Als ehemalige Besatzermacht war Japan natürlich in der Nachkriegszeit schlecht angesehen in Korea.
In der Folgezeit ergänzten die koreanischen Kampfkünstler die Karate Techniken um Bewegungselemente, die als typisch koreanisch gelten. Man war bemüht, der kampfkunst eine eigene nationale Identität zu verschaffen und sich von dem japanischen Erbe mehr und mehr zu lösen. Man könnte auch von dem Versuch sprechen, ein verbessertes Karate zu schaffen. Die Mittel der Wahl waren insbesondere die heute für das Taekwon-Do stehenden hohen Bein-, Sprung- und Drehtechniken. Doch auch das Wettkampfsystem wurde revolutioniert.
Am 11. April 1955 setzte sich der koreanische General Choi, Hong-Hi mit dem Namen Taekwon-Do für diese neu entwickelte, hybride Kampfkunst durch. Er war es auch, der die Entwicklung dieser Kampfkunst formierte und ihr international zum Durchbruch verhalf.
Der Lehrer des Autors, Taekwon-Do Großmeister Kwon, Jae-Hwa, zeigt eine Selbstverteidigungstechnik in den 70er Jahren (USA).
Wie im vorherigen Abschnitt erläutert, war das Taekwon-Do in seiner Anfangszeit praktisch "nur" ein koreanischer Stil des japanischen Karate. In den folgenden Jahrzehnten erwarb sich das Taekwon-Do aber schließlich immer mehr und mehr Eigenständigkeit durch des Erweitern der technischen Möglichkeiten und das setzen anderer Schwerpunkte.
Taekwondo zeichnet sich durch dynamische Beintechniken aus, wie sie in kaum einer anderen Kampfkunst vorkommen. Hier wurden originär koreanische Bewegungsarten in das japanische Karate eingearbeitet, wodurch das Taekwondo oft sehr spektakulär und geradezu akrobatisch wirkt. Im Taekwondo wird vergleichsweise häufig der Bruchtest aufgeführt, also das Zerbrechen von Brettern oder Steinen als Test der Wirksamkeit von Techniken.
Taekwondo forciert den dynamischen Einsatz der Hüfte und nutzt optimal die hohe Flexibilität, die durch die spezielle Dehngmnastik erreicht wird. Im Gegensatz dazu wirkt das japanische Karate oft etwas starr. Demgegenüber forciert das Karate blitzschnelle Handtechniken und kurze, harte und präzise Schlagfolgen.
Im Vergleich zum Taekwondo mutet das moderne, japanische Karate oft etwas statischer an. Karate erzeugt durch seine strenge und geradlinige Ausführung wiederum eine besondere Ästhetik, die sich inbesondere in Vorführungen der KATA (Übgunsformen) bewundern lässt. Beintechniken werden demgegenüber deutlich sparsamer eingesetzt, als es im Taekwondo der Fall ist. Es wird hierzu oft eine alte Formel zitiert: Karate verwendet zu 70% Hände und zu 30% die Füße – Taekwondo verwendet zu 70% die Füße und zu 30% die Hände.